Am 21. Oktober 1800 schrieben die beiden Seelenberger Johannes Sell und Matthäus Trautmann einen Brief an den Grafen Johann Maria Rudolf Waldbott von Bassenheim, dem damaligen Burggrafen von Friedberg. Dieser musste aufgrund der Belagerung Friedbergs durch französische Truppen horrende Kontributionszahlungen leisten, weil er die Zerstörung Friedbergs mit allen Mitteln vermeiden wollte.
Das damals noch in Reifenberg neben dem Bassenheimer Renthof befindliche Gestüt, fand damals seinen Niedergang, weil sämtlicher Hafer nach Friedberg geliefert werden musste. Dazu muss man wissen, dass der Graf ein ein absoluter Pferdenarr war und ihm auch das sehr schwer gefallen sein muss. Er versteigerte damals sogar seine komplette Bildersammlung in Frankfurt.
Diese Kontributions-Zahlungen betrafen damals natürlich nicht nur Reifenberg, sondern auch sämtliche andere Ortschaften der Herrschaft Reifenberg. Den Seelenbergern aber müssen die französchen Truppen besonders übel mitgespielt haben. Als nun der Reifenberger Rentmeister Krebs weitere Gelder von ihnen für Friedberg forderte, klagten die beiden Seelenberger dem Grafen im Namen der Gemeinde in einem Brief ihr Leid:
"Höchstnothgedrungene unterthänigste vorstellung mit submissester bitte, alseiten der Gemeinde Seelberg und namens derselben Johannes Sell und Mattheus Trautmann.
Execution der enormen herrschaftlichen contribution betrreffend
Hochgeborner Reichsgraf, gnädigster Graf und Herr !
So wie kinder zu ihrem vater in der noth ihre zuflucht nehmen, so nimmt die Gemeinde Seelberg zu ewer hochgräflichen Excellenz, als zu ihrem angestammten gnädigsten landesvater in einer lage ihre zuflucht, welche nicht traurig genug geschildert werden können.
Ewer hochgräfliche Excellenz ist bekannt genug, wie leider der grausam und verheerende krieg seit so vielen Jahren besonders die hiesige gegend ruiniert und unglücklich gemacht hat, aber auch wissen höchstdieselben, wie viel unglücklicher noch insbesondern die gemeinden sind, welche weder gemeine waldungen, noch wieswachs, noch sonstige gemeinheiten haben, folglich welche keinen fond haben, die zinßen zu den aufgenommenen capitalien, noch vielweniger das capital selbst zu bezalen.
In diesem fall befindet sich die Gemeinde Seelberg, ja, durch kriegsunglücksfälle, die nicht überall statt gefunden ist sie besonders ganz under zwar so ruiniret worden, daß sie seit 4 Jahren weder schazung noch zinßen zu bezalen im stand war, und folglich jezo nicht weiß, was sie anfangen soll.
Sie ist leider 3 bis 4 mal so total geplündert worden, daß auch niemand ein stückchen brod übrig geblieben, ja daß jedem die kleider vom leib gerissen worden sind, und daß jeder einwohner nicht mehr wußte, wie er sich und seine kinder bedecken sollte.
Wir haben so starcke französische contributionen bezahlt und so schrecklich gelitten, daß wir weder die schuldenlast noch unser unglück ganz beschreiben können. Dennoch haben wir den 25ten Sebtember 1800 wieder einen amtsbefehl erhalten, binnen 24 stunden 220 Gulden zu bezalen, und weil dieses unsere kräfte weit überstieg, so haben wir erst neuerdings wieder den befehl vom löblichen amt erhalten, sogleich 152 Gulden zu bezalen.
Und zugleich den amtsbott mit der execution bekommen, welcher täglich 30 kreutzer executions gebühren fordert. Ewer hochgräfliche Excellenz als unserm gnädigsten landesvater wird gnädigst bekannt sein,
1) daß wir weder waldungen noch sonstige allgemeine allumnien (Gewächse), folgllich keinen fond haben.
2) daß wir so viel contributionen bezalt, und sonstige schreckliche kriegsunglücksfälle erlitten haben, daß wir weder die summe der schulden wissen, noch mittel haben, wie wir die zinsen, schazung etc. bezalen sollen. Noch weniger aber wissen, wie wir ferner subsistiren und leben, am wenigsten aber wie wir noch weitere contribution bezalen sollen, da wir leider bisher alles aus unsern seckeln bezalen müsten und daß
3) die ganze gemeinde aus 19 mann mit wittweibern besteht, welche alle ruinirt sind, und nichts mehr geben können.
Ewer hochgräfliche Excellenz als unseren gnädigen landesvater klagen wir diese höchsttraurige und bejammernswürdige lage, und überlassen höchst dero vaterhuld die gnädige verfügung, wie wir zu retten zu schonen und für executionen zu bewahren sein mögen, um nicht ganz der verzweiflung preiß gegeben zu werden.
Wir flehen um gnädigstes mitleid und ersterben
Ewer hochgräfliche Excellenz
Unterthänigst treu gehorsamste Johannes Sell und Mattheus Trautmann
im namen der Gemeinde Seelberg."
[Quelle: HHStAW Abt. 333 Nr. 1967 - Korrespondenz von Rentmeister Krebs an den Grafen Johann Maria Rudolf Waldbott von Bassenheim]
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